«Jede Mahlzeit soll wie ein kleines Fest sein!»

12.08.2020

Daniela Specht ist nicht nur Leiterin der Tavolata-Geschäftsstelle, sondern auch Ernährungsberaterin. Am ersten «Amuse bouche»-Anlass, der am 11. August online angeboten wurde, erklärt sie, wie die ideale Mahlzeit aussieht und warum ein Dessert pro Tag der Gesundheit nicht schadet.

 

Daniela Specht ist Ernährungsberaterin (Foto: Florian Brunner)

Daniela, wenn du für den Rest deines Lebens eine Landesküche wählen müsstest, von der du dich ernähren würdest. Welche wäre das?
Daniela Specht: Italienisch oder Japanisch! Und wenn ich zwischen diesen beiden noch entscheiden müsste, dann wäre es eindeutig die italienische Küche mit viel frischem Gemüse, Kräutern, Pasta, Fisch und Fleisch.

Was ist dein wichtigster Grundsatz bezüglich gesunder Ernährung?
Das, was auf dem Teller ist, soll möglichst farbig und abwechslungsreich sein.

Wir lesen von Intervallfasten und anderen Diäten, die gerade angesagt sind. Was hältst du davon?
Der Körper zieht am Ende des Tages Bilanz: Wenn mehr Energie zugeführt als verbraucht wurde, steigt das Gewicht – und umkehrt. Ob man nun das Essen auf vier oder 16 Stunden verteilt, ist nicht entscheidend. Beim Intervallfasten essen die Erfolgreichen weniger, weil sie weniger Zeit zur Verfügung haben oder weil sie sich auch bewusster überlegen, was sie essen. Die weniger Erfolgreichen essen in der kurzen Zeit mehr, mit dem Gedanken, dass sie ja nachher nichts mehr bekommen. Eines ist aber gut an diesem Ernährungsstil: Längere Nüchternphasen sind für den Körper sinnvoll. Generell empfehle ich, nicht eine Diät zu machen, sondern langfristig bewusster, genussvoller und abwechslungsreicher zu essen.

Ist eine vegetarische oder vegane Ernährung gesünder als eine ausgewogene Ernährung mit Fleisch und Fisch?
Vegetarisch ist dann gesund, wenn das fehlende Eiweiss mit Eiern, Milchprodukten oder Hülsenfrüchten ersetzt wird. Die vegane Ernährung befürworte ich nicht – ausser man ist Ernährungsprofi und kompensiert die wegfallenden Eiweisse und Vitamine sehr bewusst. Gerade von Eiern halte ich sehr viel: Sie liefern wertvolles Eiweiss, Vitamin D etc. Unser Fleischkonsum in der Schweiz ist eindeutig zu hoch, darum empfehle ich zwei bis drei fleischlose Tage pro Woche.

Fünf Portionen Früchte und Gemüse am Tag: Gilt diese Regel immer noch?
Ja, dieser Grundsatz gilt nach wie vor. Gemüse und Früchte liefern wertvolle Vitamine und Mineralstoffe und sind mit ihren Nahrungsfasern verantwortlich für eine gute Verdauung und eine lange Sättigung. Eine der Portionen pro Tag kann ein Fruchtsaft sein.

Wo hört der Genuss auf und wo fängt ein übertriebenes Gesundheitsbewusstsein an?
Wenn sich ständig alles ums Essen dreht, der Genuss auf der Strecke bleibt oder die Personen nach dem Essen exzessiv Sport treiben, dann ist es nicht mehr gesund.

Ich lese immer wieder von Superfoods wie Chia, Maca oder ähnlichem. Ist das nötig?
Das sehe ich eher als einen Hype an, um neue Produkte zu verkaufen. Weder Kokosfett noch Chia oder Goji-Beeren sind für eine ausgewogene Ernährung nötig. Regionale Produkte wie Rapsöl, Leinsamen, Baumnüsse und Beeren (z.B. Heidelbeeren, Johannisbeeren) sind genauso gesund und wertvoll.

Verändern sich die Ernährungsbedürfnisse des Körpers mit dem Alter?
Ja, die Körperzusammensetzung verändert sich und der Energiebedarf nimmt ab. Im Alter braucht man auch andere Nährstoffe, hat ein verändertes Geruchs- und Geschmacksempfinden und hat oft weniger Durst. Es besteht die Gefahr einer Fehl- und Mangelernährung.

Was sollen ältere Menschen jeden Tag essen?
Zu jeder Mahlzeit 20 bis 30 Gramm Eiweiss, drei bis vier Portionen Milchprodukte pro Tag (Calcium), Vitamin D und ein bis zwei Liter Flüssigkeit.

Wie können sich ältere Menschen gesünder ernähren?
Es ist wichtig, ausreichend und regelmässig zu trinken, abwechslungsreich zu essen, das Essen in Gesellschaft zu pflegen und mindestens 30 Minuten pro Tag draussen körperlich aktiv zu sein.

Ein Stück Kuchen oder Schoggi zum nachmittäglichen Kaffee: Ist das ok?
Ja, ein Dessert pro Tag gehört zu einer gesunden Ernährung dazu und soll ohne schlechtes Gewissen genossen werden.

Wieviel Alkohol liegt im Pensionsalter noch drin?
Im Alter reagiert der Körper sensibler auf Alkohol. Vorsichtig muss man auch bezüglich einer Interaktion mit Medikamenten sein. 1 dl Wein oder eine Stange Bier pro Tag liegen drin.

Essen die Menschen in Zeiten von Corona eher ungesünder oder eher bewusster?
Es gibt eine spannende Studie von Gesundheitsförderung Schweiz: Ein Viertel der Menschen assen im Lockdown mehr, ein Siebtel assen weniger. Der Konsum der Suchtmittel hat um 25 Prozent abgenommen. Die Zeit zu Hause hat sicher viele Menschen dazu bewogen, ihr Leben gesünder und aktiver zu gestalten.

Welche Nahrungsmittel sollte ich vermeiden, wenn ich meinem Körper etwas Gutes tun will?
Eine Verbotsliste gibt es zum Glück nicht!

Wie motiviere ich mich zum Kochen und langsamen, bewussten Essen, wenn ich alleine lebe?
Es ist wichtig, sich etwas Gutes zu tun: Jede Mahlzeit sollte ein kleines Fest sein! Das Essen mit Gewürzen und Kräutern abzuschmecken wirkt appetitanregend, ein Blumenstrauss auf dem Tisch und Kerzen schaffen eine entspannte Atmosphäre. Ich empfehle auch, einmal zu kochen und zwei Mal zu geniessen: das Essen einfach in kleine Portionen verpacken und im Gefrierer aufbewahren.

Wie kann ich mein Immunsystem bewusst stärken?
Sich ausgewogen ernähren, insbesondere viel Vitamin C durch Früchte und Gemüse zu sich nehmen und viel trinken. Damit es nicht so langweilig ist, kann man dem Wasser eine Zitrone, eine Gurke oder Ingwerscheiben beifügen.

Angenommen, ich fühle mich kränklich. Wie komme ich so schnell wie möglich wieder auf die Beine?
Es ist wichtig, möglichst schnell zu versuchen, wieder ausgewogen zu essen. Auch wenn der Appetit fehlt. Kleine Mahlzeiten stärken den Körper.

Ernährung ist das eine, Bewegung das andere. Wieviel muss man sich denn bewegen, um gesund zu bleiben und sein Gewicht zu halten?
Sich 30 Minuten täglich zu bewegen hält in Form, stärkt den Kreislauf und hilft, Knochen und Muskelmasse zu erhalten. Das kann vom Treppensteigen über den Einkauf zu Fuss bis zum Joggen sein. Ich empfehle auch Yoga, denn das tut Körper und Geist gut.

Als letztes eine persönliche Frage: Was ist dein Lieblingsessen? 
Ich liebe Sushi über alles! Wir machen als Familie oft eine grosse Sushi-Platte.

Über die «Amuse bouche»-Serie

Das Interview mit Daniela Specht (geführt von Anina Torrado Lara) war der Auftakt zu einer Serie von virtuellen «Amuse bouche»-Veranstaltungen. Mehr Informationen und praktische Tipps zur Ernährung finden Sie in der Broschüre «Gesund essen – fit bleiben» des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV.